Und trotzdem, so wunderschön das Abendlicht zweifellos auch ist, es gibt etwas, das es schafft noch schöner als das Abendlicht zu sein, und das ist genau dann, wenn durch unbegreifliche Spiele der Luftströmungen, Kapriolen des Windes, Launen des Himmels, gegenseitige Flegeleien zerissener Wolken und Dutzende von Zufälligkeiten, einer regelrechten Ansammlung von Zufällen und Widersinnigkeiten – wenn es in diesem einzigartigen Licht, dem Abendlicht, unvermutet regnet. Die Sonne scheint, die Abendsonne, und es regnet. Das ist das Größte. Und es gibt keinen Menschen, so sehr er auch von Schmerzen geplagt oder von Angst verzehrt sein mag, der angesichts eines solchen Aberwitzes nicht irgendwo ein unbändiges Verlangen zu lachen aufsteigen spürt. Vielleicht lacht er dann nicht wirklich, doch wenn die Welt ein gütigerer Seufzer wäre, könnte er lachen. Denn das ist wie ein riesiger universeller Gag, perfekt und unwiderstehlich. Etwas Unglaubliches. Sogar das Wasser, das Wasser, das dir in kleinen Tropfen, die die tief über dem Horizont stehende Sonne einen nach dem anderen gezogen hat, auf den Kopf fällt, scheint kein richtiges Wasser zu sein. Es wäre nicht weiter verwunderlich, wenn man beim Kosten feststellte, dass es gezuckert ist. Nur so zum Beispiel. Jedoch kein normales Wasser. Eine umfassende, grandiose Ausnahme von der Regel, eine großartige Verarschung jeglicher Logik. Ein aufregendes Gefühl. So dass zu allen Dingen, die letztlich eine Rechtfertigung für die übrigens lächerliche Angewohnheit zu leben liefern, zweifellos auch dieses von allen klarste und reinste gehört: Dasein, wenn es in diesem einzigartigen Licht, das das Abendlicht ist, unvermutet regnet. Wenigstens einmal, Dasein.
(Aus Land aus Glas von Alessandro Baricco)
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